Der Musiker
Er spielte jeden Dienstag an der Ecke
Leopold/Ainmillerstraße. Mit seiner Panflöte und dem roten
Strickpulli erkannte sie ihn immer sofort. Hans hatte sie jedes Mal schnell vorbei
geschoben, sie hatte nicht stehen bleiben und zuhören dürfen. Geld- und
Zeitverschwendung hatte Hans gesagt. Manchmal hatte sie schon Zuhause eine Euro-Münze
in die Jackentasche gesteckt, um diese schnell in die Mütze des Spielers zu
werfen. Heimlich, im Vorbeigehen, ohne dass es Hans merkte. Aber Hans war fort
und jeden Dienstag blieb sie stehen. 10, 15, 20 Minuten lang. Hörte zu. Besah
sich den Mann mit den langen, schwarzen Haaren und der braunen Haut und den
Augen, die er beim Spielen geschlossen hielt. Wenn sie sich sattgesehen und
sattgehört hatte, holte sie 5 Euro aus ihrer Brieftasche. Sie konnte fühlen,
wie sich Hans im Grab umdrehte. Lächelnd legte sie die 5 Euro in die Mütze des
Musikers, freute sich daran, dass er ihr zunickte. Auch wenn diese 5 Euro in
der Mütze des Musikers bedeuteten, dass es heute kein Abendessen für sie gab.