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Es werden Posts vom Mai, 2019 angezeigt.

Kartoffeln

Mittwoch gab es Fisch. Das war schon seit vielen Jahren so und seit ebenso vielen Jahren war er dafür zuständig. Es war ihr Lieblingsessen und inzwischen brauchte er noch nicht einmal mehr das Rezept – er kochte einfach nach Gefühl. Er stellte die Pfanne auf den Herd. Der nächste Griff war… Er musste … Also er brauchte … Er starrte in die Pfanne. Ihm wurde furchtbar warm und dann furchtbar kalt, aber was nicht kam, war die Idee, was er als nächstes tun musste, um das Essen zuzubereiten. Er stand dort vor dem Herd, so lange bis sie in die Küche kam. Die Frau, mit der er seit einem halben Jahrhundert verheiratet war. Und deren Lieblingsessen er nicht mehr kochen konnte. "Ich weiß nicht mehr wie es geht", sagte er. Sie sah ihn lange an. "Macht nichts, dann machen wir eben Bratkartoffeln", sagte sie und holte die Kartoffeln.

Mucke am Mittwoch

Sarcastic Sounds - Suddenly you're in love  Hach!

Regen

Sie liebte das Geräusch von Regen, der auf das Dach prasselte. Das war ihr als Kind das liebste Geräusch gewesen. Sie hatte im Dunkeln gelegen, nebenan im Schlafzimmer ihre Eltern, der Regen auf dem Dach, ein sicheres, warmes Gefühl von Zuhause. Manchmal hatte sie an solchen Abenden mit der Taschenlampe gelesen während der Regen ans Fenster klopfte. Jetzt ging das alles nicht mehr. Fürs Lesen mit der Taschenlampe waren ihre Augen zu schlecht. Sie schlief auch nicht mehr unterm Dach, weil sie die steilen Treppen nicht gehen konnte. Und ihre Eltern waren schon lange tot. Geblieben war der Regen, der manchmal an ihr Fenster klopfte, sie daran erinnerte, dass sie einmal ein kleines Mädchen gewesen war. Sicher und geborgen unterm dicken Federbett in der Dunkelheit. Allein, aber nicht einsam.

Sonntag ist Meerweh-Tag

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Valletta, Malta, 2019.

Verloren

Sie starrte auf das Blut in der Toilettenschüssel. Wieder ein verlorener Monat, wieder hatte sich ihr Körper gegen sie verschworen. Dabei hatten sie und ihr Mann Sex gehabt, jede Menge, zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten. Und dennoch hatte sich keine Eizelle und kein Spermium gefunden. Oder schlimmer noch: Sie hatten sich gefunden und ihr Körper hatte sie abgestoßen, kaum, dass sie sich vereinigt hatten. Es klopfte an der Toilettentür, jemand rief "Hallo, alles o.k. da drin?“. Es riss sie aus ihrer Starre. Sie warf das blutige Toilettenpapier in das rote Wasser, kramte in ihrer Handtasche nach einer Slipeinlage. Spülte anschließend. Zweimal sogar, weil das Blut deutliche Spuren ihres Versagens auf die weißen Wände der Toilettenschüssel gemalt hatte. Sie setzte ein Lächeln auf während sie die Tür öffnete. Lächeln – für sich, ihren Mann und die blutige Masse, die im Abfluss verschwunden war.