Erbeeren im Sommer
Ihr Vater hatte extra die
Liege aus dem Gartenhäuschen geholt. „Du hast doch früher so gerne im Garten
gelegen“, sagte er und ihr Herz zerbarst fast. Früher – wie lange war das her? Da
hatte sie im Garten auf der Liege gelümmelt und die Bücher von Stephen King
verschlungen. Hatte vor lauter Grusel die Hitze nicht gespürt. Oder Hunger. Jetzt
lag sie auf dieser Liege und las Ratgeber, wie man glücklicher lebte. Spürte
die Hitze, den Schweiß zwischen ihren Brüsten. Und den Hunger, den spürte sie
auch. Ihr Vater kam mit einer Schüssel zu ihr unter den Baum: „Hier, die habe
ich gerade gepflückt.“ Erdbeeren aus dem Garten. Nichts schmeckte süßer und
mehr nach Sommer als Erdbeeren aus dem Garten. Er setzte sich auf die Liege zu
ihr, sie winkelte die Beine an, damit er mehr Platz hatte. Das hätte er früher
nicht gemacht. Sie teilten sich die Erdbeeren und den Blick aufs Feld hinterm
Garten, in das der Wind goldene Wellen blies und am Abend warf sie den Ratgeber weg.