Die Grotte

Entstanden als Aufgabe im Textmanufaktur-Fernstudium. Unabhängig davon mag ich den Text aber auch sehr. Wer weiß - vielleicht, weil es sich genauso zugetragen hat? Jedenfalls: Besucht die Grotte, wenn Ihr mal in Hamburg seid.


Über eine Treppe geht es hinunter in die Bar. Es ist schummerig, weder richtig dunkel noch ist es sonderlich hell. Alles ist in ein dunkles, rotes Licht getaucht. Es riecht nach Rauch und tatsächlich: An der Theke sitzen Leute und rauchen. Sie unterhalten sich über die Musik hinweg. An den Wänden hängen Bildschirme, auf denen Musikvideos gezeigt werden. Hardrock oder Grunge oder auch Post-Grunge und RockPop, aber meistens sind es Männer mit langen Haaren, die diese rhythmisch zu den peitschenden Gitarrensolos schwingen. Manche Sänger schreien, so dass man kaum versteht, was sie singen. Auf der Theke stehen Teelichter, die helfen einem, die klebrige Getränkekarte zu entziffern. Der Barkeeper hat große Ähnlichkeit mit E.T., ein faltiges Gesicht und große, freundliche Augen. Er hat eine Brille, die er immer auf dem Kopf in den kurzen Haaren trägt, nur wenn er kassieren muss, setzt er die Brille auf die Nase. Sind die Bässe des aktuellen Songs zu laut, dreht er die Lautstärke herunter, nur um sie nach dem Song wieder hochzufahren. Er hat keine Stimme mehr – entweder ist er heiser oder aber er hat sich angewöhnt leise zu sprechen, um so seine Stimme zu schonen. Über die laute Musik hinweg kann man sich trotzdem mit ihm verständigen.
Der Barkeeper taucht bedächtig die Gläser in das heiße Wasser und stellt sie zum Trocknen auf die schmale Abstellfläche neben den Zapfhähnen. Dazu hat er auch seine Brille wieder auf die Nase geschoben. Nachdem er fertig ist, setzt er sich auf seinen Stuhl in die Ecke hinter der Bar und scrollt durch sein Handy. Er springt aber sofort auf, wenn einer seiner Gäste an die Theke kommt und etwas bestellt. Er kann die Gäste nicht kommen hören, dafür ist es zu laut in dem kleinen Raum. Ob er die Bewegung aus dem Augenwinkel sieht? Oder die Anwesenheit spürt?
Als wir gehen und er Trinkgeld von uns bekommt, freut er sich und bedankt sich gleich mehrmals. Er verbeugt sich sogar soweit es der schmale Gang hinter der Bar zulässt. Wir stolpern die Treppen hinauf und genießen die frische, klare Luft und die Stille.