Hedwig Courts-Mahler

 

Vorsichtig öffnete sie den Kleiderschrank in ihrem alten Kinderzimmer. Einige Kleider hingen tatsächlich noch darin, aber die konnte sie an einer Hand abzählen. Der Rest im Kleiderschrank waren Bücher, schmale Heftchen – alle von einer Autorin: Hedwig Courts-Mahler. Sie zog eines heraus und setzte sich damit aufs Bett. Das Buch schlug sie nicht auf, sie hatte nicht vor, es zu lesen. Es genügte, den Namen der Autorin zu lesen und sie war wieder ein Kind. Diese Bücher hatten ihrer Oma gehört und sie hatte diese gelesen, wann immer sie Zeit hatte. Opa hatten diese Bücher immer dazu verführt, sich darüber lustig zu machen, er hatte allerlei Namen dafür gehabt. Sie drehte das Buch in den Händen. Manchmal hatte sie bei Oma schlafen dürfen, gemeinsam mit ihr im Ehebett. Dann war sie morgens aufgewacht und Oma hatte eines dieser Bücher in der Hand, die Brille tief unten auf der Nasenspitze und vorm Umblättern immer den Zeigefinger mit der Zunge befeuchtet, weil das dann leichter ging. Und jetzt lagen diese Bücher hier in ihrem alten Kinderzimmer im Kleiderschrank und sie hoffte so sehr, dass wo auch immer ihre Oma jetzt war, sie ein Buch von Hedwig Courts-Mahler dabei hatte.