Weißt Du noch - II

 

Weißt Du noch, wie Du mich mit deinem Twingo – den mit dem Faltdach – von der Schule abgeholt hast? Du hattest das Faltdach komplett zurückgeschoben und es lief in voller Lautstärke Volksmusik. Am liebsten wäre ich nicht eingestiegen. Ich tat es trotzdem, weil ich noch viel weniger Lust hatte, mit dem Bus zu fahren. Du hast auf dem Heimweg ein paar alten Damen gehupt und als ich dich fragte, ob Du sie kennst, hast Du den Kopf geschüttelt und gelacht. „Aber sie werden den ganzen Tag darüber nachdenken, wer ich wohl war.“ Und da machte mir die Volksmusik plötzlich nichts mehr aus.

Weißt Du noch, dass Du mich unbedingt einmal in der großen Stadt besuchen wolltest, meiner neuen Heimat? Ich hatte nichts dagegen gehabt, vielleicht ein bisschen Bammel davor, wie Du und ich wohl in meiner 30 m² Wohnung miteinander zurechtkommen werden. Ob Du geschnarcht hast? Ich weiß es leider nicht – und ich kann auch niemanden mehr fragen. Und Du bist nicht gekommen.

Weißt Du noch, wie ich Dich im Krankenhaus besucht habe? Wir haben gemeinsam vom Speiseplan Dein Essen für die nächste Woche ausgesucht nachdem Du mich auf der Station herumgeführt hast.

Weißt Du noch, dass ich im Kino war als Du gestorben bist? Ich habe einen Film mit Eddie Murphy gesehen und über seine blöden Sprüche gelacht und 400 Kilometer entfernt bist Du gestorben. Und ich habe gelacht und nichts gemerkt.

Weißt Du noch, frage ich Dich jedes Mal, wenn ich Dich an Deinem Grab besuche.