Helm

 

Sie hielt den Helm in den Händen, wog ihn hin und her, unsicher, was sie machen sollte. In der Tiefgarage war es wunderbar kühl, aber das Thermometer am Balkon hatte jetzt schon über 20 Grad angezeigt. Dabei war es gerade einmal 07:30 Uhr. Der Tag würde sich also einreihen in die heißesten Tage des Sommers. Auf dem Rad würde es kühl sein, der Fahrtwind sorgte dafür, dass sie erst nach dem Absteigen so richtig schwitzte. Aber unter den Helm würde es heiß sein, egal, wie kühl der Fahrtwind war. Sie ging in Gedanken die Strecke durch. Es gab nicht viel Kontakt mit Autos auf dem Weg, sie fuhr nur auf Radwegen und durch einen Park. Das eine kurze Stück, dass sie auf der Straße fahren musste, da konnte sie ja besonders vorsichtig fahren. Noch vorsichtiger als sonst. Sie legte den Helm auf das Dach ihres Autos und schloss das Radschloss auf.
„Willst du echt ohne fahren?“, fragte die Nachbarin, die auf dem Parkplatz nebenan in ihr Auto steigen wollte.
„Es ist jetzt schon so furchtbar warm“, sagte sie. „Und mir ist jahrelang nichts passiert – warum also ausgerechnet jetzt?“
„Weil das Universum jeden Morgen würfelt“, sagte ihre Nachbarin. Die, die für jeden Spaß zu haben war und immer einen blöden Spruch für sie übrighatte. Dieser Spruch war nicht blöd. Er sorgte dafür, dass sich eine Gänsehaut an ihrem Rücken hochzog.
„Du meinst…“, begann sie, aber sie wusste nicht, wie sie den Satz beenden sollte.
„Ich meine, du solltest den Helm tragen. Ich würde dich gern morgen wieder hier sehen.“ Ihre Nachbarin stieg ins Auto ein und bevor sie die Tür zuwarf, rief sie noch: „Hab einen schönen Tag! Bis morgen!“
Sie sah ihrer Nachbarin nach, die aus der Tiefgarage brauste. Es roch nach Abgasen und ein wenig nach ihrer eigenen Angst und Unsicherheit. Der Helm lag noch immer auf dem Autodach.
„Verdammt“, murmelte sie bevor sie den Helm nahm und ihn aufsetzte.