Schnee
Es schneite schon seit
heute Morgen. Seit mehreren Tagen war es so kalt, dass sie Zuhause die Heizung
anschalten musste, obwohl sie das verhindern wollte. Denn die Heizkosten
explodierten gerade und ihr graute schon vor der nächsten
Nebenkostenabrechnung. Genau wie ihr vorm Tanken graute oder vorm Einkaufen. Sie
fuhr sonst immer mit dem Fahrrad in die Arbeit, aber wenn es schneite, war es
zu gefährlich. Geräumt wurden immer zuerst die Straßen, dann die Gehwege und
wenn man viel Glück hatten, dann auch die Radwege. Aber meistens wurde einfach
nur der Schnee von der Straße und vom Gehweg auf den Radweg geschoben. Wenn sie
Glück hatte, dann schmolz der Schnee schnell – wenn sie Pech hatte, gefror der
Schnee und mit dem Rad zu fahren war erst recht unmöglich. Mit dem Bus wollte
sie nicht fahren, denn das Ticket musste sie selbst bezahlen. Also blieb ihr
bei diesem Wetter nur zu laufen. Sie brauchte nicht lange in die Arbeit,
vielleicht 30 Minuten. Und wenn sie früher ihre Wohnung verließ und später
wieder nach Hause kam, machte das nichts – in der Arbeit war es warm und sie sparte
sich die Heizung Zuhause. Heute brauchte sie besonders lange für den Weg nach
Hause. Es war nicht so, dass sie nicht nach Hause wollte, sie wollte sogar sehr
dringend nach Hause. Sie hatte Hunger und kalte Füße, aber dort, im Park, da war
sie eben ausgerutscht. Mit den Armen hatte sie gerudert und mit den Beinen und
war tatsächlich zum Stehen gekommen. Sie war hellwach und warm war ihr auch,
das war das Adrenalin, das ihr durch den Körper schoss. Der Weg war etwa zwei
Meter lang von einer dünnen Eisschicht überzogen, jetzt im Licht der
Straßenlaterne konnte sie das auch gut erkennen. Sie ging ein paar Schritte
zurück, nahm Anlauf und dann glitt sie über die Eisfläche. Sie ging in die Knie,
breitete die Arme aus und sie konnte den kalten Wind im Gesicht spüren, der
sanft an ihrem Pony zupfte und an ihre Mütze. Am Ende der Eisfläche kam sie
wieder zum Stehen, aber anstatt nach Hause zu gehen, drehte sie sich erneut
herum und schlitterte wieder übers Eis. Sie bekam sogar eine Drehung hin und
sie verließ die Eisfläche erst als eine Gruppe Jungs stehenblieb und sie
beobachtete.
„Jetzt seid ihr dran“,
schnaufte sie und rückte sich die Mütze zurecht. „Ich erwarte von euch, dass
ihr das hier ausnutzt bis zum Abendessen.“
Sie nickte ihnen zu und
die Jungs nickten zurück und während sie die Straße weiter nach Hause lief,
hörte sie die Jungs johlen und pfeifen und sie lächelte so breit, dass der Wind
gegen ihre Zähne klopfte.